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“Oooh – aaah – schon sehr viel Luther da!“
10 Minuten früher als angekündigt - oder in der Einladung angedroht - geht es am Freitagmorgen, dem 2. September, auf die Luther-Reise 2016: 5.5O Uhr Abfahrt am abgedunkelten Kardinal-Frings-Gymnasium. Alle da: “Ooo Aah - alle da.“ Das bleibt für vier Tage Motto der Achtklässler des evangelischen Schülerteams des KFG 2016 : 23 Schülerinnen und Schüler , Frau Christiane Bleck und Frau Claudia Bermel als pädagogische Leitung, Familie Blume und Herr Hartung als interessierte – erkennbar ältere, interessierte - Begleitung .
Mit dem Reisebus fahren wir über Oberkassel, Königswinter , weiter übers Siebengebirge auf die A 3. Dort bis Montabaur/Limburg, dann Wetzlar, Gießen nach Kassel. Auf dem dortigen Autohof kurze Besinnung in der kleinen Autobahnkapelle der Raststätte in einem nüchternen Betonbaustil, den die KFGler in der eigenen Schule täglich erleben.
Wer Hunger und Durst hat, den treibt es zu McDonalds, andere toben sich nach mehreren Stunden Fahrt sportlich aus - soweit es der Parkplatz zulässt. Dann weiter über die Autobahn nach Norden - erst durch Hessen, danach gen Osten nach Thüringen und Sachsen-Anhalt. Für die Jüngeren ist die ehemalige Grenze zwischen Ost und West nicht mehr erkennbar. Erst auf der Rückfahrt bei Eisenach sehen wir an der Autobahn einen ehemaligen Kontrollpunkt der DDR.
Erste Station unserer Fahrt am Freitag gegen 12.30 Uhr: Die Stadt Eisleben und dort Luthers Geburtshaus, wo „Martin Luder“ am 10. November 1483 als Sohn einer bürgerlichen Familie geboren wurde. Titel der interessanten Ausstellung im Elternhaus der Luders „Von daher bin ich!“. Darin unter anderem eine Wohnung im Stil der Lutherzeit, die anschaulich macht, wie wohlhabendere Menschen im Übergang zur Neuzeit gelebt haben. Ein historisches Beispiel: Betten, die zeigen, wie klein Menschen in dieser Zeit waren. Und dass man damals - anders als heute - im Bett aufgerichtet sitzend schlief.
Vom Geburtshaus Luthers geht es per pedes apostolorum – protestantisch zu Fuß - in die knapp hinter der Stadtmauer gelegene Kirche „Sankt Peter und Paul“. Dort wird Martin Luther einen Tag nach seiner Geburt getauft. Wegen der hohen Kindersterblichkeit wartet man am Ende des Mittelalters – unabhängig vom Gesundheitszustand der Mutter nicht lange mit der Taufe. Die aufwendig restaurierte spätgotische Kirche empfinden die Schülerinnen und Schüler als besonders beeindruckend. Ein heller Raum, wo ein moderner Taufbrunnen, der auch Ganzkörpertaufen ermöglicht, und ein Taufstein mit Teilen von Luthers Taufbecken gelungen beweisen, wie moderne und spätmittelalterliche Architektur integriert werden können. Knapper Kommentar aus dem Schülerteam am Ausgang: „ Finden wir cool.“
Eisleben ist doppelt Lutherstadt: Luthers Geburtsstadt, aber auch die Stadt, in der er starb. Am 18. Februar 1546 starb Martin Luther bei seinem letzten Besuch in seiner Geburtsstadt: Für die Grafen von Mansfeld, denen er sich verbunden fühlt, will er am Ende seines Lebens politisch vermitteln. In einem im 19. Jahrhundert restaurierten Haus – unweit des eigentlichen Sterbehauses Luthers - wird gezeigt , wie das tägliche Leben im 16. Jahrhundert war und - als Beispiel für die noch begrenzte Mobilität - wie viele Tage damals Luthers letzte Reise durch Mitteldeutschland nach Eisleben dauerte. Danach Pause auf dem Marktplatz: „Bin bald wieder da!“ prangt auf einem Transparent vor einem Bauzaun der Stadtverwaltung, wo sonst überlebensgroß ein Luther-Denkmal steht. Für manche von uns: Nachmittagspause in der Eisdiele oder shoppen.
Danach : Weiterfahrt nach Wittenberg. Quer durch Sachsen-Anhalt. Vorbei an 60 m hohen Abraumhalden auf freiem Feld – Überreste des Kali-Bergbaus. Vorbei an großen modernen Einkaufszentren auf der grünen Wiese. Links von uns Halle-Neustadt und die modernisierten Plattenbauten der Ex-DDR. Fahrt „auf der ersten Etage“ quer durch Halle – 15 km Stau auf der Autobahn: “Wir sind der Stau.“- oder: Ooh aah – Wann sind wir da? Weg von der Autobahn. Über Bundes- und Landstraßen kurvenreich, dann Ankunft in der Lutherstadt Wittenberg.
Wir leben in der Jugendherberge. Modern. Freundliches Personal. Gute Verpflegung. Unsere Heimat für drei Nächte: Schlosskirche und das Schloss der sächsischen Fürsten von 1506 gleich nebenan und nur wenige hundert Meter zum Marktplatz und den Besichtigungsorten.
Nach dem Abendessen geht es zu einem ersten Nachtspaziergang durch die weitgehend autofreie Innenstadt. Danach die Abendrunde – wie jeden Abend: „Wie war's?“ „Was packe ich von diesem Tag in meinen Erinnerungsrucksack?“ „Was steht morgen an?“ Samstag und Sonntag verbringen wir in Wittenberg, der Stadt, in der Martin Luther gepredigt, als Professor gelehrt und zusammen mit seiner Frau Katharina von Bora und seiner Familie gelebt hat.
Wenn wir in diesen zwei Tagen die Erinnerungsorte entlang der „Reformationsmeile“ zwischen kurfürstlichem Schloss und Lutherhaus besuchen, geht es immer wieder vorbei am Museum der Alltagskultur der DDR, das wir rechts liegen lassen. Überhaupt erinnert im erfolgreich restaurierten Wittenberg wenig an die Zeit der deutschen Teilung.
Orte auf Luthers Spuren, die wir uns gemeinsam ansehen: Das Cranach-Haus und die Cranach-Höfe. Beide Gebäude erinnern an die Cranach-Familie, enge Freunde der Familie Luther, Lucas Cranach der Ältere und Lucas Cranach der Jüngere; bekannte Maler, aber auch erfolgreiche Unternehmer, die mit ihren Malerwerkstätten und ihrer Druckerei wirkungsvoll an der Weiterverbreitung der lutherschen Ideen mitgewirkt haben: Sie waren malende „Fotografen“ und „Berichterstatter“ der Zeit der Reformation.
Das Angebot in den Cranach-Häusern – für die Schüler interessant: Sie basteln als Reiseandenken aus Ton Nachbildungen der Luther-Rose, des Markenzeichens, das Luther selbst für seine Werke verwendet hat. In einer kleinen Druckerei wird an einer historischen Druckerpresse demonstriert, nach welchen Verfahren in der Reformationszeit gedruckt wurde.
In einem kleinen Museumszimmer wird das Zeitschema zum Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit per Quiz gelehrt: die Erfindung des Buchdrucks, die Entdeckung Amerikas, die Eckdaten der sächsischen Fürsten, die Luthers und der Reformation Wirken ermöglicht und abgesichert haben, Eckdaten der Reformation. Geschichtsquiz ist in diesem Fall selbst aus Schülersicht „beautiful“.
Wir besuchen die Schlosskirche mit der berühmten Tür, an der Luther am 31. Oktober 1517 seine kritischen Thesen befestigt hat. In dieser Kirche ist Luthers Grab und rund um die Empore zeigen Wappen deutscher Fürstenfamilien, wie stark sich die Reformation vor dem 30 jährigen Krieg verbreitet hat. Bei unserem Stadtrundgang begleitet uns eine junge Reiseführerin im Kostüm im Kleidungsstil der Katharina von Bora. Auf dem Marktplatz vor dem alten Rathaus: ein Luther-Denkmal und eines seines Freundes Philipp Melanchthon.
Ansonsten viele Läden, Souvenirs zu Luther und der Reformation. Wir sehen die für uns ersten Playmobil-Modelle von Martin Luther und Aufkleber, die mit Zitaten des Reformators zum Biertrinken anregen und allerlei andere Souvenirs. Vielfältiges Angebot für die Touristen, die wir in der sachsen-anhaltinischen Stadt antreffen.
Vorbei am Gebäude der ehemaligen Wittenberger Universität, an der Luther gelehrt hat, geht es zum Augusteum, dem ehemaligen „Schwarzen Kloster“, in das Martin Luther als Augustiner-Mönch eintrat und in dem er nach 1525 mit seiner Frau, Familie und vielen Gästen und Freunden lebte. Im Anbau des Lutherhauses besichtigen wir eine umfangreiche Ausstellung „Luthers Bild und Lutherbilder“ - ein guter Überblick über Wirken und Wirkungsgeschichte des Reformators.
Am Sonntag sind wir im Gottesdienst in der Stadtkirche Sankt Marien, in der schon Martin Luther ab 1514 gepredigt hat. Außer der Wittenberger Gemeinde eben eine Schülergruppe aus dem Rheinland: Wir KFG-ler werden namentlich zu Beginn des Gottesdienstes begrüßt! Im Anschluss an den Gottesdienst erläutert der Kirchmeister Bernhard Naumann die Bilder des Reformationsaltars aus dem Malerhaus der Cranachs und die Geschichte des Gotteshauses.
Beim Herausgehen sehen wir an der Kirche auf dem Kirchplatz in Dachhöhe ein mitttelalterliches Relief, auf dem einige Juden im perversem Umgang mit Schweinen abwertend dargestellt sind. Diese Bilder der „Judensau“ sind eine im Mittelalter häufige Verunglimpfung der jüdischen Bevölkerungsminderheit. Einige Wochen später – nach unserer Fahrt - wird dieses mittelalterliche Relief Auseinandersetzungsgegenstand in den Medien - in den USA, aber auch bei ARD und ZDF fordern Protestanten aus Amerika die Beseitigung des Reliefs.
Wer den Platz besucht, findet auf dem Boden vor der Kirche – unterhalb des Reliefs – das bedenkenswerte Gegenstück – eine kleine Holocaustgedenkplatte, die noch vor der Wende ins Kopfsteinpflaster eingelassen wurde: Eine eindrucksvolle und angemessene Antwort der evangelischen Landeskirche auf die verhöhnende Darstellung aus dem 14.Jahrhundert. Und so ist dieses Relief Gelegenheit in unserer Gruppe darüber zu reden, dass auch Luther in seiner Auseinandersetzung mit dem Judentum Fehler gemacht hat, von denen sich die evangelische Kirche heute eindeutig distanziert. Abends machen wir noch eine Stadtwanderung. Eine Station ist der Luthergarten, wo aus Anlass des Jubiläumsjahres 500 Bäume von den protestantischen Kirchen und Glaubensgemeinschaften aus aller Welt gepflanzt werden.
Am Montag geht es morgens mit dem Bus nach Eisenach. Dort einige Stunden Aufenthalt nach jeden Schülers Geschmack. Dann Besichtigung der Wartburg. Im Mittelpunkt ein interessanter Vortrag über Luther auf der Wartburg, die Geschichte der Burg und ihre fürstlichen Besitzer. Besuch in dem Raum, in dem Martin Luther – als Junker Jörg getarnt - in zehn Wochen das Neue Testament aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzt hat. Eine Ausstellung mit zahlreichen Drucken aus der Reformationszeit. Und ein kurzer Hinweis, dass die Wartburg auch für die deutschen Burschenschaften im 19. Jahrhundert ein wichtiger Ort war.
Dann geht es wieder zur Heimfahrt in den Bus. Über die Autobahn an den Plattensiedlungen von Jena und später an einem ehemaligen Grenzkontrollpunkt vorbei nach Hessen und zurück nach Bonn.
„Ooh, aah“ – wir sind pünktlich da! Nach einer für alle interessanten Reise!
Rudolf H.